Medizininformatik in Deutschland

Justus-Liebig-Universität Gießen

Projektpartner im Konsortium MIRACUM

Um die Behandlung von Hirntumoren verbessern zu können ist Gießen ein wichtiger Partner der Medizininformatik-Initiative. Das Team um Prof. Dr. Till Acker, Direktor des Instituts für Neuropathologie, ist darauf spezialisiert, die molekulargenetischen und biologischen Eigenschaften von Hirntumoren mit neuesten Verfahren zu untersuchen. Diese erzeugen in kurzer Zeit sehr große Datenmengen. Computer können die genetischen Befunde mit wichtigen klinischen Daten – von Blutwerten bis Röntgenaufnahmen – zusammenführen. Um dabei alle Informationen zu erfassen, müssen Computerprogramme auch medizinische Texte lesen können, die in „menschlicher Sprache“ verfasst sind. Dazu zählen z.B. Arztbriefe. Die Lösung dieser anspruchsvollen Aufgabe ermöglicht eine innovative Technologie, das „Natural Language Processing“ (NLP). Die Gießener Expertinnen und Experten integrierten die NLP-Technik in die Datenintegrationszentren des MIRACUM-Konsortiums – von denen eines in Gießen aufgebaut wurde. Basierend auf einem wachsenden digitalen Erfahrungsschatz können lernende Computerprogramme den Ärztinnen und Ärzten helfen, Tumore präziser zu diagnostizieren und wirkungsvoller zu behandeln.

Der Universitätsmedizin Gießen beteiligt sich – zusammen mit weiteren Partnern aller Konsortien – an vielfältigen Anwendungsfällen der Medizininformatik-Initiative:

  • Krebsmedizin: Je mehr Ärztinnen und Ärzte über die spezielle Krebserkrankung jedes einzelnen Betroffenen wissen, desto besser und zielgerichteter können sie über die bestmögliche personalisierte Therapiemöglichkeit entscheiden. Um möglichst viele Informationen zu sammeln, sollen klinische und biomedizinische Daten – z.B. zu genetischen Veränderungen in Tumoren – an möglichst vielen Standorten übergreifend analysiert werden können.
  • Lungenerkrankungen: Als Koordinator des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) arbeitet der Standort Gießen daran, die Behandlung chronisch entzündlicher Lungenerkrankungen zu verbessern: Datenanalyen helfen, die Varianten der Atemwegserkrankungen besser zu erkennen, damit Behandelnde ihre Patientinnen und Patienten maßgeschneidert therapieren können.
  • Arzneimitteltherapiesicherheit: Innovative IT-Lösungen tragen dazu bei, die Arzneimittelsicherheit und Arzneimitteltherapien zu optimieren. Stationsapotheken können so riskante Wirkstoffkombinationen frühzeitig erkennen und Betroffene besser vor unerwünschten Nebenwirkungen geschützt werden.

Zudem hat der Standort Gießen bereits abgeschlossene Projekte der Medizininformatik-Initiative unterstützt:

  • Klinische Studien: Damit der medizinische Fortschritt schneller bei den Menschen ankommt, sollen klinische Studien effizienter werden. Sie müssen wissenschaftlich belegen, dass neue Wirkstoffe oder Verfahren verträglich und wirksam sind, bevor sie Teil des medizinischen Alltags werden. IT-Lösungen helfen – unter strenger Beachtung des Datenschutzes – die Daten von Patientinnen und Patienten zu analysieren. Geeignete Personen können so schneller gefunden und zur Studienteilnahme eingeladen werden.
  • Seltene Erkrankungen: Vereinheitlichte Fall-Dokumentationen und maßgeschneiderte IT-Lösungen unterstützen Behandelnde und Forschende dabei, Seltene Erkrankungen genauer zu verstehen und die medizinische Versorgung der Betroffenen zu verbessern.
  • Daten zu Bioproben: Die Vernetzung von Biobanken und Datenintegrationszentren vergrößert die Basis der datenbasierten Gesundheitsforschung. Das hilft Forschenden, Krankheiten und ihre Variationen präziser zu diagnostizieren und Therapien zu optimieren.

Justus-Liebig-Universität Gießen, Fachbereich Medizin
Uniklinikum Gießen und Marburg

Klinische Studien

Neue Therapie- und Diagnosemöglichkeiten verbessern die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Doch bevor solche Fortschritte im medizinischen Alltag ankommen, müssen klinische Studien beweisen, dass z.B. ein neues Medikament gut wirkt und verträglich ist. Je schneller solche Studien durchgeführt werden, desto zügiger erreicht der medizinische Fortschritt den Versorgungsalltag. Doch oft ist es schwierig, dafür genug geeignete freiwillige Probandinnen und Probanden zu finden. Deshalb hat die Universität Gießen die Entwicklung von IT-Lösungen unterstützt, die Patientinnen- und Patientendaten standortübergreifend recherchierbar machen – an allen an diesem Anwendungsfall beteiligten Universitätskliniken. Die entwickelten IT-Lösungen sollen Forschenden helfen, in genug Teilnehmende für klinische Studien schneller zu finden.

Patientenrekrutierung für klinische Studien

Lungenkrankheiten

Die Universität Gießen unterstützt in der Medizininformatik-Initiative die Aufbereitung von Daten zu chronischen Atemwegserkrankungen. Computer sollen diese Daten analysieren und Behandelnden helfen, z.B. Asthma-Patientinnen und -Patienten besser zu behandeln. Die biologischen Mechanismen chronischer Atemwegserkrankungen unterscheiden sich von Patientin zu Patient im Detail – deshalb kann eine Therapie bei der einen Person wirken, bei der anderen aber nicht. Je präziser die Varianten einer Krankheit den Betroffenen zuzuordnen sind, desto gezielter und wirkungsvoller können Ärztinnen und Ärzte Erkrankungen wie Asthma und COPD behandeln.

Film zum Anwendungsfall: Gemeinsam gegen COPD und Asthma

Onkologie

Bei der Verfeinerung der Diagnostik von Hirntumoren mithilfe innovativer Datenanalysen hat die Medizinische Fakultät der Justus-Liebig-Universität Gießen im MIRACUM-Konsortium eine federführende Rolle eingenommen. Diese Verfeinerung war notwendig, um die komplexen Datensätze, die im Verlauf einer Tumorerkrankung gesammelt werden – von histologischen Gewebeanalysen und Blutwerten bis hin zu radiologischen und molekulargenetischen Befunden – interpretieren und therapeutisch nutzen zu können. Zur Auswertung umfangreicher genetischer Daten wurden dafür maßgeschneiderte Software- und Analyse-Tools entwickelt. Diese sind darauf ausgelegt, (epi)genetische Profile von Krebszellen zu entschlüsseln, die das unkontrollierte Wachstum eines Tumors vorantreiben. Mithilfe der entwickelten Instrumente lassen sich molekularbiologische Daten standardisiert erfassen, integrieren und auswerten. Zudem ermöglichen sie es, molekularbiologische Daten mit klinischen Informationen zu kombinieren und visuell ansprechend darzustellen. Dies bietet behandelnden Ärztinnen und Ärzten eine fundierte Basis, um optimale und individualisierte Therapieansätze auf Basis einer tiefgreifenden molekularen Verständnisebene zu identifizieren.

Im Zuge der Nationalen Dekade gegen Krebs treibt das Projekt PM4Onco, basierend auf den Grundlagen der Medizininformatik und der Kompetenz führender deutscher onkologischer Spitzenzentren, die Entwicklung der personalisierten Medizin in der Krebsmedizin voran. Ziel ist es, eine nationale Dateninfrastruktur zu schaffen, die eine standortübergreifende effiziente Nutzung von klinischen und biomedizinischen Forschungsdaten ermöglicht. In diese Infrastruktur fließen ebenfalls wichtige Erkenntnisse aus Patientenbefragungen sowie Daten der Krebsregister ein. Die daraus resultierende systematische Datennutzung und -analyse soll künftig Ärzte und Ärztinnen dabei unterstützen, für ihre Patientinnen und Patienten immer genauer auf deren spezifischen Bedürfnisse zugeschnittene individualisierte Behandlungsentscheidungen zu treffen. Die Fortschritte in der Medizininformatik eröffnen somit neue Horizonte in der Präzisionsonkologie und tragen wesentlich zur Verbesserung der Patientenversorgung bei.

Nationale Dekade gegen Krebs: Vernetzte Daten für bessere Therapieentscheidungen

Videos

DIFUTURE: Multiple Sklerose - Patientendaten nutzen, Therapien optimieren


HiGHmed: Herzschwäche besser behandeln – Betroffene als Forschungspartner


MIRACUM: Gemeinsam gegen COPD und Asthma


SMITH: Digitale Assistenz am Krankenbett


Die Medizininformatik-Initiative des BMBF – erklärt in 3 ½ min

Mit rund 160 Millionen Euro fördert das BMBF von 2018 bis 2021 die digitale Vernetzung von Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen. Der Animationsfilm zeigt, wie die Medizininformatik dazu beitragen wird, Krankheiten besser zu verstehen und wirkungsvoller zu behandeln. © BMBF


So funktioniert die Ein­willigung zur Daten­nutzung für die medizinische Forschung

Voraussetzung für das Forschen mit Daten ist die informierte Einwilligung der Patientinnen und Patienten in die Nutzung ihrer Daten. Wie funktioniert das genau? Wie lange werden die Daten gespeichert und wer darf sie nutzen? Wie wird der Datenschutz sichergestellt und was passiert bei einem Widerruf? © BMBF