Universität Ulm
Institut für Medizinische Systembiologie
Projektpartner im Konsortium DIFUTURE
Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird an der Universität Ulm großgeschrieben. Und so arbeiten die Ulmer Medizinerinnen und Mediziner mit Fachleuten aus der Informatik und dem Ingenieurwesen eng zusammen. Ein Dreh- und Angelpunkt dieser Zusammenarbeit ist das von Prof. Hans A. Kestler geleitete Institut für Medizinische Systembiologie.
Das von Kestler und seinem Team in Ulm aufgebaute Datenintegrationszentrum vernetzt vielfältige Daten aus verschiedensten Quellen, harmonisiert sie und ermöglicht die standortübergreifende Analyse von Daten – von Blutwerten aus dem Versorgungsalltag oder der klinischen Forschung bis hin zu Daten aus der Grundlagenforschung. Die Analyse dieser Datenschätze soll Forschenden sowie Ärztinnen und Ärzten helfen, Krankheiten genauer zu verstehen und die Heilungschancen der Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern.
Der Standort Ulm beteiligt sich – zusammen mit anderen Partnern der Medizininformatik-Initiative – an vielfältigen Anwendungsfällen, die den Mehrwert von IT-Lösungen und Datenanalysen für eine bessere Versorgung aufzeigen:
- Lungenkrankheiten: Mithilfe von Datenanalysen können Ärztinnen und Ärzte chronische Lungenerkrankungen wie Asthma und COPD besser diagnostizieren und wirkungsvoller behandeln.
- Krebsmedizin: Je mehr Ärztinnen und Ärzte über die spezielle Krebserkrankung jedes einzelnen Betroffenen wissen, desto besser und zielgerichteter können sie über die bestmögliche personalisierte Therapiemöglichkeit entscheiden. Um möglichst viele Informationen zu sammeln, sollen klinische und biomedizinische Daten – z.B. zu genetischen Veränderungen in Tumoren – an möglichst vielen Standorten übergreifend analysiert werden können.
- Kardiologie: Moderne IT-Verfahren vereinen komplexe Biosignale (z.B. EKG-Daten) mit vielfältigen klinischen Informationen (z.B. Blutdruckwerten, Medikationen) zu einem Datenschatz. Dessen Analyse soll Ärztinnen und Ärzten helfen, Risiken für Herzkreislauf-Erkrankungen präziser zu erkennen und die personalisierte Versorgung zu stärken.
Folgende bereits abgeschlossene Projekte der Medizininformatik-Initiative hat die Universität Ulm unterstützt:
- Neurologie: Um Multiple Sklerose auch in sehr frühen Stadien erkennen und den Krankheitsverlauf besser vorhersagen zu können, wurden zahlreiche Patientendaten standardisiert und analysiert. Die Ergebnisse können dazu beitragen, maßgeschneiderte Therapien rechtzeitig einzuleiten und die Aussicht Betroffener auf einen milden Krankheitsverlauf zu verbessern. Der dazu parallel laufende Anwendungsfall Parkinson Disease hat dazu beigetragen, das Verständnis dieser komplexen Erkrankung zu verbessern, auch in Hinsicht auf eine optimierte und individualisierte Behandlung von Patientinnen und Patienten.
- Seltene Erkrankungen: Vereinheitlichte Fall-Dokumentationen und maßgeschneiderte IT-Lösungen unterstützen Behandelnde und Forschende dabei, Seltene Erkrankungen genauer zu verstehen und die medizinische Versorgung der Betroffenen zu verbessern.
- Daten zu Bioproben: Die Vernetzung von Biobanken und Datenintegrationszentren vergrößert die Basis der datenbasierten Gesundheitsforschung. Das hilft Forschenden, Krankheiten und ihre Variationen präziser zu erkennen und Therapien zu optimieren.
Medizinische Fakultät der Universität Ulm
Universitätsklinikum Ulm
Institut für Medizinische Systembiologie (englischsprachig)
Daten zu Bioproben
Biobanken sind ein wertvolles Datenarchiv für die Gesundheitsforschung. Die Klinik für Innere Medizin III am Universitätsklinikum Ulm hat langjährige Erfahrung im Aufbau und im Betrieb von Biobanken zu bösartigen Erkrankungen des Blutsystems – dazu zählen z.B. Leukämien. Forschungsprojekte können diese Proben nutzen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, die zu einer besseren Versorgung der Patientinnen Patienten beitragen.
Die Vernetzung dieser Biobanken mit Datenintegrationszentrum in Ulm vergrößert den Datenpool, aus dem die Wissenschaft neue Erkenntnisse gewinnen kann. Die Nutzung dieser Daten setzt stets das Einverständnis der Patientinnen und Patienten voraus. Zudem müssen die Forschungsprojekte alle datenschutzrechtlichen und ethischen Vorgaben beachten. Die Biobanken am Standort Ulm unterstützen u.a. die Erforschung akuter und chronischer lymphatischer Leukämien (ALL, CLL) sowie seltener bösartiger Erkrankungen des Knochenmarks (myeloproliferative Neoplasien, MPN).
Seltene Erkrankungen
Der Standort Ulm widmet sich einer Vielzahl Seltener Erkrankungen und verfügt auf diesem Gebiet über renommierte und erfahrene Fachärztinnen und Fachärzte. Durch seine langjährigen Erfahrungen gilt das Ulmer Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSE) besonders auf dem Gebiet der seltenen Endokrinen – also hormonellen – Erkrankungen als Vorreiter bei der Entwicklung neuer Therapie- und Behandlungsansätze. In diesem Anwendungsfall hat das Datenintegrationszentrum am Standort Ulm in einer Pilotphase Computermodelle analysiert, die den Verlauf Seltener Erkrankungen und die Erfolgschancen von Therapien und Medikationen vorhersagen sollen. Ulmer Expertinnen und Experten haben den Nutzen dieser Modelle für diagnostische und prognostische Fragestellungen untersucht. Zudem leitet der Standort Ulm das Kompetenzzentrum Seltene Erkrankungen Baden-Württemberg und engagiert sich für den jährlichen „Rare Disease Day“. Dieser Welttag der Seltenen Erkrankungen findet am jeweils letzten Tag im Februar statt. Ziel ist es, den Interessen von Menschen mit Seltenen Erkrankungen Gehör zu verleihen – für eine besser vernetzte Versorgung, für mehr Forschung und mehr Solidarität mit den Betroffenen.
In der Medizininformatik-Initiative hat der Standort Ulm dazu beigetragen, dass Forschende sowie Ärztinnen und Ärzten die organisatorischen und technischen Lösungen der Initiative nutzen können, um Seltene Erkrankungen besser zu verstehen, zu erkennen und zu behandeln.
Medizininformatik-Initiative: Use Case CORD-MII
Versorgungsatlas für Menschen mit Seltenen Erkrankungen
Kardiologie
In Zeiten fortschreitender Digitalisierung spielen IT-basierte Lösungen in der Behandlung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine zunehmend bedeutende Rolle. Mithilfe moderner IT-Verfahren können aus großen Datensätzen Prognosemodelle entwickelt werden, die eine individuellere Patientinnen- und Patientenversorgung ermöglichen. Menschen mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Ereignisse sollen damit identifiziert werden und von einer frühzeitigen Behandlung profitieren.
Das Universitäre Herzzentrum Ulm, unterstützt vom Institut für Medizinische Systembiologie der Universität Ulm, bringt in diesen Anwendungsfall seine Erfahrungen bei der standortübergreifenden Zusammenarbeit in der Biosignalauswertung ein.
Neurologie
Forschende und Behandelnde am Standort Ulm haben das Ziel der Medizininformatik-Initiative unterstützt, die medizinische Versorgung und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose und Morbus Parkinson zu verbessern. Dafür haben sie mathematische Modelle entwickelt und erprobt. Diese können riesige, für den einzelnen Menschen kaum überschaubare Datenmengen analysieren und dabei z.B. unentdeckte genetische Besonderheiten und Gemeinsamkeiten von Personen mit neurologischen Erkrankungen aufspüren. Mithilfe der gewonnen Ergebnisse wollen Forschende sowie Ärztinnen und Ärzten besser verstehen, wie sich diese Erkrankungen entwickeln – und vor allem, wie man sie früher erkennen und besser behandeln kann.
Film: Multiple Sklerose - Patientendaten nutzen, Therapien optimieren
Medizininformatik-Initiative: Use Case Multiple Sklerose
Onkologie
In Molekularen Tumorboards, wie das am Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU), ermöglichen interdisziplinäre Teams die personalisierte Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Tumorerkrankungen. Hierfür werden mit unterschiedlichen Analyseverfahren vielfältige Informationen ausgewertet – von Gewebeproben über Blutwerte bis hin zu radiologischen Bildern und molekulargenetischen Befunden, sowie unzählige Datensätze, die im Verlauf der Erkrankung entstehen. Bei der Auswertung dieser umfangreichen Datenmengen werden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte durch verschiedene Software-Tools unterstützt, z.B. durch die vom Institut für Medizinische Systembiologie entwickelte interaktive Webanwendung AMBAR (Alteration annotations for Molecular tumor BoARds). Dieses Tool erleichtert die therapeutische Entscheidungsfindung in den Molekularen Tumorboards, indem es die für einen Menschen nur mit hohem Aufwand überschaubaren Datenmengen z.B. filtert und anschaulich aufbereitet.
Die Vorarbeiten der Medizininformatik-Initiative sowie die Expertise der onkologischen Spitzenzentren in Deutschland werden im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs durch das aktuelle Projekt PM4Onco weiterentwickelt: An zahlreichen Standorten wird eine nationale Infrastruktur aufgebaut, die auch die standortübergreifende Nutzung von Daten aus der klinischen und biomedizinischen Forschung, aus der Befragung Betroffener und aus den Krebsregistern ermöglicht. Die Nutzung und Analyse dieser Daten soll künftig die Ärztinnen und Ärzte vor Ort noch besser dabei unterstützen, für ihre Patientinnen und Patienten die bestmögliche personalisierte Therapieentscheidung zu treffen.
Nationale Dekade gegen Krebs: Vernetzte Daten für bessere Therapieentscheidungen